Wer sind Sie denn? - Wehmut und Stolz vorm ersten Geburtstag

4 Minuten zum lesen

Mein Baby ist nächste Woche kein Baby mehr. Der erste Geburtstag naht und ich könnte heulen. Vor Trauer, Freude und Begeisterung über die rasanten Entwicklungsschritte unseres jüngsten Familienmitgliedes.

Was immer wir machen, Klein-Alex mischt mit wie ein Großer. Er ist einfach bald kein Baby mehr.

Alex wird nächste Woche Donnerstag ein Jahr alt. Ey. EIN GANZES JAHR!! Fuck! Wann ist das denn passiert? Ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, dass Zeit schneller vergeht, je mehr Kinder man hat. Bei Johanna habe ich die einzelnen Entwicklungsschritte herbei gefiebert. Habe mich so sehr auf den beruflichen Wiedereinstieg gefreut. Dachte mir so oft: „Wenn sie dann endlich läuft, spricht, xy macht, dann…“. So ein Scheiß. Darüber könnte ich mich heute wirklich ärgern. Bringt aber nix. War halt mein Empfinden damals. Bei Pauline war ich schon entspannter. Da habe ich mich über solche Meilensteine wie Krabbeln, Laufen, erster Zahn genau so gefreut, wie beim ersten Kind. Sie hat sich in allem auch etwas mehr Zeit gelassen, als ihre große Schwester. Aber jetzt, bei unserem kleinen großen Alexander, fliegt all das nur so an uns vorbei. Erster Zahn mit acht Monaten, erstes Mal Drehen schon mit acht Wochen, Krabbeln mit sechs Monaten… Er ist kein so krasser Motorik-Überflieger wie manche Babys aus unserem Bekanntenkreis aber mir geht das so schon alles zu schnell. Vor allem, wenn ich mir denke, dass all diese ersten Male eben auch die letzten ersten Male mit Baby für uns sein sollen. Puh!

Ich kann mir das gerade noch nicht vorstellen. Soll Alex wirklich unser letztes Kind sein? Für Simon steht die Antwort fest. Ich bin nicht überzeugt. Hoffentlich kommt das noch. Die tiefe, innere Überzeugung, dass es jetzt gut ist. Familienplanung abgeschlossen. Das Gefühl wünsche ich mir. Am liebsten sofort. Aktuell klammere ich mich an die Hoffnung, dass ich nur so kacke sentimental bin, weil Alex halt 1 wird. Da kommen all die Erinnerungen wieder hoch. Die tagelangen Wehen, das Wetter am Tag seiner Geburt. Die Fahrt mit der U-Bahn ins Krankenhaus. Essen gehen mit meinem Mann, um den kleinen Braten mit ultrascharfer Thai-Suppe zum Auszug zu bewegen. Hach. Das war schön. So anstrengend, so schmerzhaft und so wundervoll, dass ich es am liebsten noch ganz oft hätte.

Auf der anderen Seite stehen extrem schmerzhafte Schwangerschaften, die am Ende auch gefährlich für mich waren. Viel zu wenig Platz in unserer Wohnung, viel zu angsteinflößende weil unkalkulierbare finanzielle Erwägungen und natürlich der ausschlaggebende Punkt: Ein Mann, der fertig ist mit Kinderkriegen. Eine Bekannte sagte neulich: „Aber du hast ja drei Kinder. Das ist viel. Das muss dann auch reichen!“. Das hat mich wütend gemacht. Ich bin nicht undankbar. Im Gegenteil. Diese drei Kinder haben mich Jahre meines Lebens gequält. Mit schlimmsten Rückenschmerzen, Bandscheibenvorfällen, Sodbrennen des Todes, Symphysenschmerzen aus der Hölle. Karpaltunnelsyndrom für den OP, Kotzerei, so schlimm, dass ich es manchmal nicht bis ins Bad geschafft habe… Ich habe Narben bekommen in den letzten fünf Jahren. Und jede Einzelne war es wert. Weil ich diese wunderbaren, anstrengenden Zaubermäuse habe. Buah! Ich sage es ja. Um den ersten Geburtstag ist es besonders schlimm. Ich bin eh noch im Hormonrausch durch das viele Stillen.

Alex futtert zwar richtig gut am Familientisch mit aber dem Herren Baby ist es genehm, seinen Teller Nudeln mit einem ordentlichen Schluck Milch runter zu spülen. Und was macht er sonst noch? Er ist eine Labertasche. Kein Wunder, bei der Mama. Er quasselt den ganzen Tag. Wir unterhalten uns richtig mit ihm. Super süß, wenn meine Große ihren Vater tadelt: „Papa! Alex hat dich was gefragt. Jetzt antworte ihm doch bitte mal!“ Tut er nämlich wirklich. Und er ahmt uns gerade extrem nach. Beim Abendessen dippe ich meine Karotte in den Frischkäse. Alex schaut sein Möhrchen an, guckt zum Frischkäse und verlangt mit allem, was er hat danach. Dippt die Karotte und futtert weiter. Wenn ich sage, dass wir jetzt raus gehen, krabbelt er schon mal zur Tür oder bringt den Mädels ihre Mützen. Übrigens immer die richtigen Mützen. Er weiß ganz genau, wem hier was gehört. Er ist ein Spaßvogel. Spielt Kuckuck mit mir, versteckt sich im dunklen Kinderzimmer, ruft nach mir, ich komm um die Ecke und er macht: Waaahh! Und lacht sich tot, wenn ich erschreckt tue. Ich klappe die Rutsche zusammen, weil ich aufräumen will. Alex war noch nicht fertig mit Rutschen und nachdem er merkt, dass er mit Schreien nicht weiter kommt, versucht er eben, das Ding selbst wieder aufzustellen. Er ist eeeeecht ambitioniert. Oft denke ich mir: „Du kleine Wurst. Das schaffst du doch im Leben noch nicht…“ Aber die „kleine Wurst“ überzeugt mich oft vom Gegenteil. Er kann wohl.

Jetzt sind wir gespannt, ob er noch vor dem ersten Geburtstag frei läuft. Er steht jetzt öfter frei. Stellt sich auch einfach so selbst hin. Es ist aufregend. Die Schritte meiner Großen habe ich verpasst, weil ich im Büro saß. Mein Mann war dabei. Die ersten Schritte unserer Pauline habe ich gefilmt und Simon ins Büro geschickt. Jetzt hoffen wir, beide dabei zu sehen. Und unsere Chancen stehen dank Homeoffice ganz gut. Und jetzt… mache ich mich an die Geburtstagsvorbereitungen. Wenn schon keine Gäste kommen, dann muss wenigstens geile Deko her!

Hinterlassen Sie einen Kommentar