Handwerk hat goldenen Boden – Und wir ne Sehnenscheidenentzündung

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Simon und ich haben uns beide für ziemlich sportlich gehalten. Während unserer Altbausanierung stellen wir aber fest, was für sesselpupsende Weichflöten wir allerdings sind. An alle Handwerker: Ihr seid krasse Typen!

Schrot unter den alten Dielen heraus kratzen. Das war meine Wochenendbeschäftigung. Bin ganz gut voran gekommen, sehe dafür aber müde, alt und staubig aus.

Ist wirklich so. Ich hocke hier mit hochgelagertem rechten Arm und tippe am Text. Meine wunderbare Tätigkeit im Haus gestern hat mir nämlich eine schöne Sehnenscheidenentzündung eingehandelt. Auf dem Plan stand „den Boden im Dachgeschoss zurückzubauen“. Alte Bauerndielen mit Stemmeisen raus hebeln und tonnenweise Schrot raus schaufeln. Das wurde als Dämm- und / oder Füllmaterial verwendet und ihr glaubt nicht, wieviel Schrot und Schlacke unter so nem alten Fußboden stecken kann. Nach 20 vollbepackten Schwerlastmüllsäcken war in etwa die Hälfte erledigt. Keine schwere Arbeit, aber monoton und extrem staubig. Da haben mich die skelettierten oder mumifizierten Mäuse-Leichen fast schon aufgeheitert. Damit hatte ich zumindest was, worüber die Kinder schwer begeistert waren.

Unsere Baustelle ist eine potenzielle Todesfalle für die Kids

Die Kids können wir mittlerweile nur noch in den Garten des Hauses jagen. Der ist zwar auch nicht kindersicher aber keine so große Todesfalle, wie das Haus selbst. Mit offenen Wänden, frei gelegten Holzbalken statt Böden und jeder Menge spannender Werkzeuge. Alex interessiert sich sehr für Flex, Bohrhammer und Fräse. Darf er aber alles nicht anfassen und das findet er kacke ungerecht. Er ist gerade zwei Jahre alt geworden. Also findet er gerade ziemlich viele Dinge auf der Welt kacke ungerecht. Stichwort Autonomiephase. Der junge Mann tut mir manchmal wirklich leid. Ich bin sicher, dass in diesem kleinen, hilflosen Körper ein Genie steckt. Er denkt das auch und deshalb kann er es ÜBERHAUPT nicht haben, wenn er nicht auf Anhieb verstanden wird. Er spricht in ganzen Sätzen und wenn man viel Zeit mit ihm verbringt, kann man das Meiste auch übersetzen aber eben nicht alles. Und wenn er etwas erzählt und ich ihn nicht verstehe, dann macht ihn das sehr sehr sauer… Aber: Ich bin damit ziemlich entspannt. Ich finde, die Trotzphase wird von Kind zu Kind einfacher oder meine Nerven haben sich vermehrt. Vielleicht ist es auch schlicht die Erfahrung. Ich weiß, dass es vorbeigehen wird. Eines Tages. Um dann vom nächsten kleinen Bock abgelöst zu werden. Aber hey! Nach jeder solcher miesen Phasen bekommen wir ein Kind, dass quasi über Nacht neue Skills dazu bekommen hat. Und das ist schon ziemlich cool. Aber kommen wir zurück zum Handwerken.

Handwerk hat goldenen Boden und ein guter Handwerker ist Gold wert

Handwerker haben einen schlechten Ruf. Unzuverlässig, nicht die hellsten Kerze auf der Torte, Bier am besten schon ab dem Vormittag. Es mag solche Exemplare geben und ich habe auch schon Handwerker getroffen, die das ein oder andere Klischee erfüllen aber je mehr wir erfahren, sehen, lernen – desto mehr sehe ich, was hinter dem Handwerk steckt. Planvolles Vorgehen, je nach Tätigkeit Kraft, Geschick und Ausdauer. Und es ist irre, was gute Handwerker in kurzer Zeit aus dem Boden stampfen können. Sachen, an denen Simon und ich über Wochen rum pfuschen. Wobei wir natürlich auch immer besser werden. Simon jedenfalls hat seine Sehnenscheidenentzündung fast auskuriert und kann jetzt perfekt 1,40 Meter tiefe Löcher mit der Spitzhacke in Kellerböden hacken. Mir ist der Bohrhammer am Anfang noch leicht verrutscht oder auch mal stecken geblieben. Das passiert mir immer seltener. Und das ist auch gut so.

Hoffentlich ist am Ende der Kohle nicht mehr so viel Haus

Wenn wir beide zwei linke Hände hätten, hätten wir ein Problem. Ein Finanzielles. Denn so schön und befriedigend es ist, zu sagen „Das haben wir alles selbst gemacht!“, so anstrengend ist es auch. Und wir kommen nur langsam vorwärts. Denn die Kinder müssen irgendwie betreut werden, während wir auf der Baustelle sind. Wir arbeiten beide und können eh nur am Wochenende und abends am Haus schaffen. Weil wir hier noch kein Netzwerk haben, können wir die Kinder nicht mal eben bei Freunden parken und im Gegenzug dann ein andermal auf deren Nachwuchs aufpassen. Das haben wir in München öfter gemacht und es war für alle Beteiligten eine große Erleichterung. Ans Netzwerken ist hier noch gar nicht zu denken. Ich wüsste gar nicht, wann ich das noch unterbringen soll. Mich tröstet gerade der Gedanke, dass wir irgendwann in unserem hoffentlich schönem und nicht ganz verpfuschtem Haus sitzen und uns an diese Zeit jetzt rückblickend einfach als großes Abenteuer erinnern können.

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